Es war nicht das Beste, aber es kam zum Schluss.
Der Versuch, meine Enttäuschung und mich zu sortieren.
Ziehe sich den Schuh an, wem er passt.
Vor 21 Jahren verlor ein, nein – der für mich mit genialste Musiker innerhalb einer Woche seinen Bruder und seine geliebte Frau an Krebs. Eine Tragödie, wie sie nur das Leben schreiben kann. Ein Jahr später, vor 20 Jahren, erschien seine Trauer und der Versuch diese zu verarbeiten in Form eines endgenialen Musikalbums.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Heute schreiben wir den 1. Januar 2022
und der Weg hin zu diesen grauen, vernieselten Morgenstunden zeigte einmal mehr, wie wenig Appelle, „Regeln“, „Maßnahmen“, Aufrufe, Bitten an die Menschlichkeit verhallen, ungehört verklingen und Leute (ich weigere mich mehr denn je, sie Menschen zu nennen, weil ihnen jegliche Menschlichkeit fehlt) dazu anstachelt, genau das Gegenteil von dem zu tun, was nicht nur ihren Liebsten, ihren Mitmenschen und im Großen gedacht, der Gesellschaft gut tun würde.
Silvester 2021, 2325 Uhr, es „zischt und knallt“
bereits seit Stunden, empfindet es ein Unbekannter als seine persönliche Freiheit und notwendigen Ausdruck seiner eingebildeten Stärke und Männlichkeit, einen PolenBöller in einen Lichtschacht zu werfen. Der Knall kommt einer Detonation gleich. Lisbeth B. eine 89jährige liebenswerte Bewohnerin des Hauses erleidet durch die gewaltige Schall- und Druckentwicklung einen massiven Schock. Zu ihrem großen Glück ist ihr Enkel vor Ort, ein Medizinstudent auf dem besten Weg ein großartiger Arzt zu werden, der sich seiner Oma sofort annimmt und Schlimmeres verhinderte. Nicht auszudenken, er müsse mit ihr jetzt in eine Klinik, die mit CovidPatient*innen aus- und überlastet ist.
Wohl nur ein Beispiel von vielen, das sich von gestern bis weit in die frühen Morgenstunden des Neujahrmorgens abspielte, weil sozial schwache, asoziale, rücksichtslose, völlig verquere und wohl am eigenen Leben gescheiterte Personen glauben, sie definieren was Freiheit ist und diese für sich gepachtet haben.
Ja, auch die Silvesterknallerei betreffend bilden die, die sich an keine Appelle, „Regeln“, „Maßnahmen“, Aufrufe, Bitten halten wollen, eine Minderheit – das zeigen auch viele Videos aus der Stadt, die in Teilen feuerwerksfrei war. Aber auch diese Minderheit ist penetrant, radikal und laut. Denn: „Hallo?! Wir sind das Folck!!!11!!“
Und warum? – Weil sie es können!
Weil jene Institutionen, die sich mit „Regeln“, „Maßnahmen“, Aufrufen und Bitten an uns wenden, diesem furchtbaren Mob nichts entgegenzusetzen zu haben scheinen.
Weil viele Polizist*innen die geifernden Radikalen lieber gewähren lassen, als sich in eine Konfrontation zu begeben, in die sie sich vielleicht privat ja auch nicht begeben würden oder, die einfach zu gefährlich erscheint, oder weitere Eskalation befürchten lässt. Leider kann man/frau sich in Greifswald ja immer noch nicht des Eindrucks erwehren, dass die Rechtsauffassung des einen oder anderen Polizisten einem gleichnamigen, leichten Drall unterliegt – aber das nur ein Eindruck.
Weil jene Institutionen, die es in ihrer politscher Hand haben, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu erlassen, sich nach zwei Jahren Pandemie immer noch vor der lauten radikalen Meute wegzuducken scheint. Da wird von Eigenverantwortung gefaselt, obwohl es die Leute in der Vergangenheit mehrfach bewiesen haben, wie verantwortungslos sie sind. Da wird freundlich darum gebeten mit erhobenenm „DuDuDu-Zeigefinger“, anstatt klare Kante zu zeigen und zu sagen – NEIN, es gibt nur kein Feuerwerk zu kaufen, es wird grundsätzlich im öffentlichen Raum verboten und für den privaten Raum gilt ein Verbot von F2-Feuerwerk ! Aber nein… ich zitiere aus dem SocialMedia-Auftritt der Stadt Greifswald, interpretierbares Rumgeeier farbig markiert:
+++ Einschränkung des Silvesterfeuerwerks +++Bund und Länder haben am 2. Dezember aus Infektionsschutzgründen beschlossen, zu Silvester und Neujahr den Verkauf von Pyrotechnik zu verbieten. An publikumsträchtigen Plätzen soll es ein Feuerwerksverbot geben.Der Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder appelliert gemeinsam mit der Bürgerschaft der Universitäts- und Hansestadt Greifswald an alle Greifswalderinnen und Greifswalder, kein Silvesterfeuerwerk zu zünden: „Bitte verzichten Sie zum Wohle aller auf Feuerwerk und meiden Sie Menschenansammlungen.“Ungeachtet der Bund-Länder-Regelung besteht ein Abbrennverbot von pyrotechnischen Gegenständen gemäß § 23 Abs. 1 der ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz: „Das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie besonders brandempfindlichen Gebäuden oder Anlagen ist verboten.“ Unter www.greifswald.de/feuerwerk zeigt eine Stadtkarte die einzelnen relevanten Orte und Gebäude auf, in deren unmittelbarer Nähe ein Abbrennverbot von pyrotechnischen Gegenständen in Greifswald gilt.
Vielleicht geht es ja tatsächlich nur mir so, was ich kaum glauben kann, aber das ist meinem Empfinden nach WischiWaschi in Bild und Wort, viel Grauzonen, null konsequent und wenig bindend. Und das wussten einige maximal für sich auszunutzen.
Hinzu kommt, dass dieses Rumgeeiere für steten Unmut sorgt und das derweil auch bei den bislang geduldigsten und einsichtigsten Bürgerinnen und Bürgern. Klarheit lassen im Verständnis der Bürger*innen leider alle politisch Verantwortlichen vermissen.
Mit dem Freiheitsgefühl und der Ruhe, mit der so manche*r ihr/sein Feuerwerk zündete, können mutmaßlich wirkliche Kontrollen nicht stattgefunden haben. Hätten diese stattgefunden, gäbe es zur Rauchentwicklung mindestens einen ShitStorm. Nach der 30sten F2-Rakete (danach hab ich das Zählen aufgegeben), Innenstadt, Markt, vertiefte sich dieser Eindruck. Da fragen sich die Menschen, die sich seit zwei Jahren konsequent nicht nur an Regeln halten, sondern vielleicht auch gerne einem Feuerwerk beigewohnt oder selbst ein paar Raketen verschossen hätten (dazu zähle ich nicht!), wozu? Aber das ist Spekulation. Ich frage mich indes, wenn es doch eh wumpe ist, warum dann überhaupt noch WischiWaschiRegeln?
Kurzum, es gibt halbgare Appelle, „Regeln“, „Maßnahmen“, Aufrufe und Bitten, an die sich ein Teil der Bevölkerung Greifswalds nicht gebunden fühlt, weil diese ihre Freiheit einschränken und den Spaß rauben. Darum scheißen sie sprichwörtlich auf Rücksicht, Mitverantwortung und Miteinander. Sie scheißen auf Mensch und Tier.

Sie scheißen auf die Menschen, die sich ob ihres Alters oder physischer/psychischer Einschränkungen nicht wehren können, denen Feuerwerke alljährlich Angst machen, krank machen. Sie scheißen einmal mehr auf jene großen und kleine Menschen, die aus Kriegsgebieten gerade frisch hier angekommen sind und die alleine die Sounds in blanke Panik versetzen. Ja, ich möchte sogar mutmaßen, dass sie auf ihre eigenen Kinder scheißen (und in dem Moment des Schreibens detoniert erneut ein Böller). Was für Vorbilder sind jene Erwachsene, die ihren Kindern vermitteln, dass Regeln ohne Konsequenzen gebrochen werden können, dass Politik und Gesetze so lange gebeugt werden können, bis sie dem eigenen Weltbild entsprechen, etc.?
Auf der anderen Seite sind jene Menschen, denen wenn nicht das Ende der Pandemie dann wenigstens eine Einschränkung dieser am Herzen liegen, die alles dafür tun, damit wieder ein bisschen Normalität in unser aller Leben einzieht Menschen, die einem Feuerwerk seit je her skeptisch gegenüber stehen, die jedes Jahr aufs Neue vor den Gefahren dieser Polen- und anderer illegaler Böller warnen, die darum wissen und es vielleicht sogar alljährlich erleben müssen, welche Höllenqualen Tiere erleiden.
Besonders aber sind da die Menschen, die neben ihrem Einsatz gegen das Virus, sich Tag und Nacht kümmern, die pflegen, die am Leben erhalten, die sich sprichwörtlich den Arsch aufreißen, um all jenen den Wohlstandsarsch zu retten, die es auch in diesem Jahr wieder nicht sein lassen konnten und sich unter Umständen selbst oder Unbeteiligte gefährden und verletzten.
Sollte jetzt jemand fragen wollen, ob ich denn etwas unternommen hätte, muss ich leider sagen, NEIN. Ich habe zuhause gesessen, bin von einer Panikattacke in die nächste gerutsch und habe damit meinem geliebten HerzMenschen ziemlichen Kummer bereitet. Zudem bin ich im Augenblick nicht lebensmüde. Alle Versuche mit Worten im realen und im digitalen „Leben“ auf die Leute zuzugehen, sie, wenn nicht zu überzeugen, sie wenigstens zu überreden, sind gescheitert und endeten im Zweifelsfall mit beleidigendem BullshitBingo oder Andeutungen und Geschwurbel, was mir Angst um meine körperliche Unversehrtheit einflüsterte.
Entsprechend groß ist meine Enttäuschung und ja, ich gebe zu, meine Wut. Meine Wut auf die Unbelehrbaren, die Sozial Schwachen, auf die, die auf alles scheißen, was ihnen vermeintlich die Freiheit nimmt – egal, ob das ein Mundschutz ist, Abstandsregeln, Hygienemaßnahmen oder der Appell, sich friedlichere, stillere und sozialere Alternativen zu suchen, mit denen sie die bösen Geister des vergangenen Jahres vertreiben können.
Es war nicht das Beste, aber es kam zum Schluss.
Das war mein Versuch, meine Enttäuschung und mich zu sortieren.
Vor 21 Jahren verlor ein, nein – der für mich mit genialste Musiker innerhalb einer Woche seinen Bruder und seine geliebte Frau an Krebs. Eine Tragödie, wie sie nur das Leben schreiben kann. Ein Jahr später, vor 20 Jahren, erschien seine Trauer und der Versuch diese zu verarbeiten in Form eines endgenialen Musikalbums, das heute noch so aktuell ist, wie vor 20 Jahren.
Ein Appell an die Menschlichkeit
Und der Mensch heißt Mensch
Weil er irrt und weil er kämpft
Und weil er hofft und liebt
Weil er mitfühlt und vergibt
Das mit dem Vergeben, das muss ich echt noch üben.