Suizidalität

Ich mag nicht mehr

Da geht es mir, wie wohl einer großen Anzahl Menschen mit der Diagnose Depression. Irgendwann ist Ende Gelände, Aus die Maus, ich kann nicht mehr und ich mag nicht mehr. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe sagt dazu:

Suizidgedanken und –impulse (Suizid = lat. Selbsttötung) sind ein sehr häufiges Symptom bei Depression. Sie machen Depression oft zu einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
Menschen mit Depression erleben nicht nur großes Leid, sondern haben auch durch die Erkrankung jegliche Hoffnung verloren. Sie glauben nicht daran, dass ihnen geholfen werden kann und sich ihr Zustand je wieder bessert. 
Um diesem als unerträglich empfundenen Zustand zu entkommen, kann der Wunsch entstehen, nicht mehr Leben zu wollen.
Wer selbst an Suizid denkt oder gefährdete Menschen kennt, sollte umgehend ärztliche Hilfe suchen.

https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/suizidalitaet
©B.Schulz, 2000 – Dem Narren schlägt die Stunde, denn Zeit heilt keine Wunde

Pro Jahr nehmen sich in Deutschland knappt 10.000 Menschen erfolgreich das Leben. Das sind dreimal mehr, als z.B. durch Verkehrsunfälle ihr Leben lassen.

Selbst kann ich gar nicht zählen, wie oft ich in den letzten 4 Jahren das Bedürfnis hatte, „es möge doch endlich alles zu Ende sein“, „nicht mehr zu wollen“ oder „nicht mehr zu können“. Dabei stellt sich unweigerlich die Frage nach dem „WIE?!“ Für mich kann ich sagen, dass es das perfekte „WIE“ noch nicht gibt. Mochte die Verzweiflung, die Lebensmüdigkeit auch noch so groß und schmerzhaft sein, es gab immer auch Gründe es eben nicht zu tun.

  • Es dürfen keine an meinem Leben unbeteiligten Dritten mit hineingezogen werden. Nichts ist schlimmer, als ein Suizid, der nicht nur das eigene Leben beendet, sondern das Leben völlig Fremder, wie Zug- oder Bahnführende und Passagiere oder Autofahrende, zerstört.
  • Es darf mich niemand aus meinem engsten Umfeld „finden“. Ich selbst musste die traumatische Erfahrung als junge Erwachsene machen, meinen allerbesten Freund von der Zimmerdecke abzuknüpfen. Eine Erfahrung, die ich keinem Menschen wünsche.
  • Die Methode muss zu 100 % sicher sein. Nichts wäre schlimmer, als am Ende noch zerstörter zu sein, als ich es eh bin und vielleicht sogar dann noch zur intensiven Pflege-Aufgabe fremder Menschen oder gar meines Lebenspartners zu werden.

Diese guten Gründe führen bis heute dazu, dass ich den Gedanken „Schluss zu machen“ zwar je nach Verzweiflungsgrad immer mal ein Stückweit verfolge, aber die Angst vor den Konsequenzen, mit denen Dritte leben müssen, immer größer ist.

In dem gestrigen Beitrag über den Psychologinnenwechsel war am Ende über meinen Therapievertrag zu lesen. Im Rahmen des Einzelgesprächs ließ ich mich nun nach vier Jahren darauf ein, mein Versprechen es „nicht zu tun“, inklusive Notfallplan mit meiner Unterschrift zu besiegeln.
Zudem ist dieser Vertrag mittlerweile auch eine Art Bestätigung dafür, dass ich mit meinen Ängsten, meiner Verzweiflung und meinen Depressionen von meinem therapeutischen Umfeld ernst genommen werde. Ein Gefühl, dass ganz langsam die Erlebnisse z.B. der Reha überdeckt, in der ja selbst die lautesten Hilfeschreie nicht gehört wurden.
Allerdings räumte ich dabei auch ein, dass ich absolut nichts dagegen einzuwänden hätte, wäre mein Leben jetzt einfach vorbei. Klar, damit wäre ich fein raus aus der Nummer – ich lege nicht selbst Hand an.

Ich bin mir mehr als nur bewusst, dass dieses Thema für mein engstes Umfeld nur sehr schwer zu ertragen ist. Mit dem Schreiben dieses Blogs, meines Ryckwegs habe ich beschlossen, aus meiner Depression keinen Hehl und aus meinem Seelenleben keine Selbstmörderinnengrube zu machen. Mit diesem Thema mache ich mich nicht nur nackig, sondern auch angreifbar und doch ist es richtig. Ich glaube fest daran, dass es richtig und wichtig ist, das Thema Depression, egal welcher Ausprägung, aus der Grauzone der Gesellschaft, aus dem Tabuwinkel heraus zu holen. Als Mensch wie du und ich, als Otto-Normal-Mensch ohne Promistatus, bin ich eine von zig Tausenden mit der Diagnose Depression und dazu gehören eben die Gedanken zum Tod, wie die zum Leben… und das ist mein Ziel.

©B.Schulz, 2000; Leben

Mein Ryckweg ins Leben

3 Antworten auf „Suizidalität“

  1. Es ist auf jeden Fall mutig und heilsam darüber zu schreiben und offen damit umgehen. Du hast Menschen direkt an deiner Seite, die dich unterstützen, wenn es mal wieder ganz finster aussieht. Allen voran dein Herzensmensch Wolf. Das ist gut zu wissen.

    Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du den Weg raus aus der Depression findest. Ich glaube daran, dass das möglich ist.

    Alles Liebe für dich
    von Iris

  2. Am Ende des Weges, am Ende der Müdigkeit, am Ende des NichtMehrWollens kommt sie wieder. Die Kraft zum Leben. Zart wie eine kleine Pflanze mit der man sehr behutsam umgehen muss.
    Viel wichtiger als alles andere: sich diese große Auszeit zu gönnen und nicht damit zu hadern, dass Körper und Kopf nein schreien. Nimm dich in die Arme wie es eine gute Freundin tun würde und akzeptiere, dass niemand von uns immer funktional sein kann. Aber auch wenn Du das Pflänzlein noch nicht sehen kannst, es schlummert ganz bestimmt nur knapp unter der Erde und wartet auf den richtigen Moment rauszukommen. Ich wünsche Dir Kraft, Behutsamkeit, Geduld, Wohlwollen dir selbst gegenüber und niemals ein schlechtes Gefühl, wenn dich die Müdigkeit übermannt. Schlafen, asuruhen, genießen sind die einzigen Regeln, die es in dieser Zeit zu beherzigen gilt. Eigentlich ja immer.

  3. Wir werden gemeinsam auf uns achten, gemeinsam aus dem finsteren Loch, egal wie groß es sein mag, hinausfinden. Auf Pellworm, an der Pommerschen Küste, überall stehen Schiffahrtszeichen, die bei Beachtung verhindern, daß wir auf Grund laufen. Und wenn doch? Dann finden wir auch den Schlepper, der uns wieder runter zieht von der Sandbank, der Untiefe. Und scheißegal, ob wir dann ein beuliges Unterwasserschiff haben : wir bleiben schwimm- und manovrierfähig, sturm- und seetauglich auch dank der vielen Menschen, die uns Leuchtturm, Fahrwassertonne, Warnbake oder Feuerschiff sind. Letztendlich paßt auch der Ewige auf, daß wir nicht untergehen, bis wir den VON IHM bestimmten Letzten Liegeplatz anlaufen dürfen. Das hat aber noch viele Jahre Zeit. Ich liebe Dich.
    #bedingungsloseliebe #rycksichtsvoll #schwimmfähigbleiben

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