Die Bilder, die an Depressionen erkrankte Menschen wählen sind schwarz und tierisch. Das große schwarze Loch scheint abgelöst. Vielleicht liegt es daran, dass sich die tierischen Vertreter*innen gemäß des Befindens eher verkleinern lassen.
Mein Bild ist derweil der große schwarze Vogel, der mir mit dem Schatten seiner gigantischen Flügenspannweite in den letzten Jahren das Leben verdunkelt hat. Derweil bin ich im vierten Jahr – vier Jahre mit viel Hoffnung und Resignation, Vorfreude und Erwartungsängsten, (Selbst)Liebe und (Selbst)Hass. Ein Auf & Ab, unter dem nicht nur ich, sondern auch meine MitMenschen leiden.
Erst die Depression und als wäre das nicht schon heftig genug, sich ihr zu stellen, gesellte sich im vergangenen Jahr die PTBS dazu. Aus dem nichts barst nach mehr als 40 Jahren der perfekten Verdrängung, des perfekten Verschlusses die Schatulle meiner Vergangenheit und ließ die darin eingepferchten Dämonen wieder frei.
Fand ich es vorher schon extrem schwer, mich meinem großen schwarzen Vogel zu stellen, sollte ich nun schmerzhaft lernen, was wirklich extrem schwer ist. Das alles hätte ohne meine wundervolle Psychologin nicht funktioniert. Ihre Zuwendung, Beharrlichkeit und ja auch Sturheit ließen mich an meine psychischen Grenzen und weit darüber hinweg gehen.
Die Behandlungsmethode schimpft sich IRRT – „Imagery Rescripting & Reprocessing Therapy“
Die IRRT ist eine Therapiemethode zur Behandlung von UNTER ANDEREM PTBS
Visuelle und verbale Interventionen werden kombiniert, um Zugang zu belastenden traumabezogenen Bildern zu gewinnen, diese zu konfrontieren, zu transformieren und emotional zu bewältigen.
Quelle: https://www.irrt-deutschland.de/
Ich habe es gehasst, es hat mir Angst gemacht und mich anfangs unfassbare Überwindung gekostet. Dabei waren die regelmäßigen Videoaufnahmen nicht einmal das Schlimmste – sondern die daran anschließende tägliche Auseinandersetzung damit – das immer wieder selbstständige Ansehen, Anhören.und Dokumentieren.
Doch es wurde besser. Es wurde einfacher. Irgendwann gehörte das Ansehen der Imagination zum Alltag dazu, Gesagtes und Gesehenes verloren an Gewicht und Härte und damit wurde ich stärker. Ich möchte niemandem etwas vormachen. Es tat zwischendurch richtig scheiß weh, das zu bearbeiten, was so tief in mir 4 Jahrzehnte schlummerte und ich wünsche mir heute noch, dass es nie, niemals nie ans Tageslicht gekrochen wäre. Aber es ist da – es war da – es war und ist wahr, auch wenn sich zu Beginn der IRRT alles in mir und an mir dagegen gewehrt hat.
Gestern hatte ich meine vorletzte Sitzung bei meiner Psychologin und sie unterzog mich dem IRRT-Abschlussfragebogen. Leider habe ich ihn im Netz nicht gefunden. Das Ergebnis war eine freudig lächelnde Psychologin. Frau L. schloss mit den Worten, dass die Diagnose PTBS nicht mehr aufrecht erhalten werden könne. Sicher gibt es noch das eine oder andere Symptom. Doch damit „kann ich um“. Was bleibt ist die rezidivierende Depression, doch Frau L. erlebt mich sehr aufgeräumt und stark, so dass wir unserem letzten Termin kommenden Monat entspannt entgegensehen können. Natürlich gibt es zum Abschluss nochmal einen dicken Fragebogen, der ihre Einschätzung untermauern soll.
Für mich ist es schon seit Wochen ein etwas beklemmendes Gefühl, der letzten Sitzung entgegen zu sehen. Neben der Tatsache, dass mir meine Psychologin echt ans Herz ge- und in meinen Wochenrhythmus eingewachsen ist, versuchen natürlich immer wieder Zweifel an mir zu nagen – ob ich das schaffe? Ob ich das kann? Komm ich alleine klar?
NATÜRLICH! Erstens habe ich immer nochmal die Möglichkeit Frau L. auf den Zünder zu gehen, zweitens habe ich mit meinem sozialen Umfeld und der Arche die besten Therapeuten neben Frau L. am Start und drittens, ist der große schwarze Vogel zur Zeit ein kleiner schwarzer Spatz, der mir immer wieder ins Ohr tschilpt, dass ich stark bin, dass ich gut bin, wie ich bin und ich ruhig auch ein bisschen stolz auf mich sein darf, denn:
„Menschen mit Depressionen, das sind für mich keine schwachen, sondern die stärksten Leute, die rumlaufen. Weil für sie jeder Tag ein Kampf ist.“
Zitat: Torsten Sträter