Meinen Umgang mit meiner Depression

hat in den letzten Jahren besonders der Autor, Schriftsteller und Kabarettist Torsten Sträter geprägt. Für mich einer der glaubwürdigsten prominenten Vertreter und nicht umsonst Schirmherr der Deutschen Depressionsliga.

Torsten Sträter spricht mir sprichwörtlich aus der Seele und hat für sich einen, wie ich finde, bewundernswerten Umgang mit der Krankheit.

Zitatesammlung:

Depressionen sind schlimm. Hoffnungslosigkeit, schwarze Löcher im Seelenleben, bleierne, lähmende Antriebslosigkeit – gar nicht so einfach, das für Außenstehende in Worte zu fassen; aber nicht darüber zu sprechen, ist fahrlässig, ja geradezu albern. Also: Reden wir darüber. Mit dem Arzt. Der Familie. Der Welt. Dann kann sich diese Krankheit schon mal warm anziehen.

Die erste Regel im Depressions-Club: Rede drüber. Die zweite Regel: Wenn du im Club bist, musst du kämpfen! Die dritte Regel besteht aus der ersten und der zweiten Regel.

Menschen mit Depressionen, das sind für mich keine schwachen, sondern die stärksten Leute, die rumlaufen. Weil für sie jeder Tag ein Kampf ist – und zwar gegen Depressionen. Also einen Gegner der stinkt, der sich grundlos prügeln will und immer wieder aufsteht. 

Depressionen haben manchmal keinen für dich erkennbaren Grund. Du kannst Graf Koks sein und goldene Zeppeline fliegen und trotzdem erwischt es dich eines Mittwochs.

 >>Scheiße drauf sein<<  ist wie ein Tatort mit den Muppets. Nicht das Gelbe vom Ei, aber es geht vorbei. Depressionen hingegen sind wie alle drei Teile von Herr der Ringe – in Zeitlupe – mit Jean Claude van Damme als Gandalf und Musik von Andrea Berg.

…ich würde  jeden von Depressionen betroffenen Politiker dazu auffordern, auf seinem Plakat ein smartes Statement dazu abzugeben. Denn Schweigen ist fahrlässig.

Eine Depression ist ja nicht so leicht zu ertragen wie eine Wurzelbehandlung am Zahn: Ibuprofen einwerfen und dann ist Ruhe im Karton. Wenn man jedoch einmal erlebt hat, wie die schwarze Nacht sich über einen senkt oder eine heftige Panik­attacke hatte, dann trägt man danach sogar ein Fan-T-Shirt für Psychopharmaka. Die Chemie kann – zumindest kurzfristig – all die Dinge dieser Erkran­kung ausbremsen, auf die der Mensch wenig Einfluss hat – zum Beispiel gewisse Botenstoffe im Gehirn oder körperliche Reaktionen. Obwohl Medikamente natürlich keine langfristige Lösung sind. Aber allein, wenn durch sie für Betroffene wieder ein Licht am Horizont auftaucht, hat sich ihr Einsatz gelohnt.

Solange nicht klar ist, wo-rauf eine Depression fußt, ist das in meinen Augen totaler Quatsch. Stattdessen kann ich auch ein Computerspiel wie Angry Birds spielen, bis der Psychologe endlich Zeit hat. Ich fürchte, dass eine App niemals ein Heilsbringer sein kann. Im Gegenteil: Einige der digitalen Anwendungen lösen vermutlich noch Depressionen aus.

Im Notfall kann man immer noch in die Psychiatrie gehen. Daran ist ja überhaupt nichts Schlimmes. Wenn ich ­einen Fußboden verlegen möchte, schaue ich ja auch nach einem Experten für den Job. Das ist mit der Psychiatrie nichts anderes, finde ich.

Es dauert sicher noch 20 Jahre bis das Krankheitsbild so etabliert ist, dass jeder weiß: Es kann auch mich treffen. Und bis dahin wird es leider noch genug Leute geben, die sagen: Was bist du denn so scheiße drauf, ich mach’ mal das Fenster auf, damit frische Luft reinkommt.

Heute kehren meine Depressionen in Schüben wieder, überfallen mich, ganz unabhängig von Aktivitäten und Jahreszeit. Aber sie werden glücklicherweise seltener. Mittlerweile merke ich, wenn sie sich wieder anschleichen und entwickele schnell Gegenmechanismen. Wichtig ist, dass man den Kampf aufnimmt. Heute muss sich die Krankheit vor mir warm anziehen.

Wenn ich merke, es geht nicht mehr, dann mache ich Dinge wie: ab nach New York. Ich bin lieber depressiv in New York, spaziere durch die Stadt, schaue einen amerikanischen Film und lasse mir die Sonne auf den Kopf scheinen, als dass ich zu Hause bleibe. Im Zweifelsfall rufe ich meinen Arzt an und kündige ihm an, dass ich bald ein Notfallmedikament brauche.

Zitate/Quellen:

  • https://torsten-straeter.de/
  • https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-282018/depressionen-schweigen-ist-fahrlaessig/
  • https://depressionsliga.de/ueber-uns/torsten-straeter/

Zum Schluss möchte ich noch eine Sendung verlinken, die mich irre beeindruckt hat. Mein erstes und bislang auch letztes Mal, dass ich in Chez Krömer reingeschaltet habe, eben weil Torsten Sträter zu Gast war.

Ab Minute 9.50 Uhr nimmt das typisch launige Krömer – Gespräch eine sehr spannende Wendung und macht diese Sendung sehr besonders.

Von Wortfindungsstörungen

und Erklärungsnöten

Wie kann ich? Wie soll ich? Wie sag ich? Gemeinhin gelte ich als kreativer Mensch mit der Fähigkeit sich in Wort und Bild auszudrücken. Ich könne mich ausdrücken, wie Dali malte, war eines der schönsten Komplimente, das ich je erhielt. Meine Bilder, fotografiert oder gemalt bringen Freude und zaubern Lächeln in Gesichter. So weit die Theorie.

Während das mit den Bildern noch ganz gut funktioniert, hat sich meine Sprache auf ein Minimum reduziert, wenn es darum geht zu beschreiben, wie es mir geht, was mit mir los ist. Dieser Kopffick lässt sich nich in Worte fassen.

Es liegt in der Natur der mich umgebenden Menschen, Anteil zu nehmen. Neben ganz viel Neugierde, sind es natürlich die Menschen aus meinem engsten Umfeld, die wirklich interessiert sind daran, wie es mir geht, die ihre Hilfe anbieten, zuhören möchten, ja vielleicht sogar ähnliche Erfahrungen machten, an denen sie mich teilhaben lassen möchten. Indes schnürt sich in mir alles zusammen. Totale Verspannung und Anspannung, bis nicht nur die Muskeln, sondern alles dicht macht.
Frau Depression zeigt sich gestärkt durch meine Störungen und Nöte. Je mehr Kopffick, desto weniger Worte und Erklärungen, desto mehr Ryckzug. Wie soll ich anderen Menschen begreiflich machen, was ich selbst nicht verstehe? Immer dann, wenn ich glaube, jetzt habe ich einen Ansatzpunkt, zieht sich der Knebel aus Stacheldraht einmal weiter zu.

Knebel aus Stacheldraht um die Zunge. Quelle Original: www.erfan.ir/farsi/
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Smiling Depression

Alles nur Maske & Fassade

„Gut?“ getarnt

Der Begriff „Lächelnde Depression“ (Smiling Depression) hat mich in den letzten Tagen massiv beschäftigt. Schon lange bevor ich mir mutmaßlich frühzeitig professionelle Hilfe suchte bemerkte ich, dass ich mich in die Riege der Weltmeister*innen unter den Maskenträger*innen und Fassadenaufrechterhalter*innen einreihen konnte.

Dabei ist mir und vielen, vielen anderen Betroffenen auf keinen Fall zum Lachen zumute. Das Leben wird bestimmt von chronischer Hoffnungslosigkeit, Traurigkeit oder Trauer, massiven Ängsten und Suizidgedanken und -überlegungen. Ich selbst erweckte und erwecke nachwievor reflexartig bis gerne den Eindruck, als gäbe es kaum Gründe, traurig oder gar verzweifelt zu sein. Im Prinzip konnte passieren was wollte, ich habe aus Sicht meiner Umwelt „funktioniert“.

Eigentlich…

… hatte ich (bis zu dem Augenblick, in dem ich mich entschied mir, außerhalb meines eigentlich auch im psychosozialen Bereich arbeitenden Arbeitgebers, professionelle Hilfe zu suchen und anzunehmen) einen tollen, mich sehr ausfüllenden Job, eine kleine aber feine Wohnung, den HerzMenschen schlechthin als Lebenspartner an meiner Seite und ein zwar noch pubertierendes aber fabelhaftes KInd. Ich bin sehr gut sozialisiert, habe wenige sehr gute Freunde, Freunde und viele, viele tolle liebenswerte Menschen in meinem Umfeld. In meinem Portemonnaie , bis zu meinem Rauswurf, der Cent mehr, als ich zum Leben brauche. Mein Leben dort, wo Hunderttausende jährlich Urlaub machen. Ich lächele, wenn du mir begegnest, mich begrüßt oder das Gespräch mit mir suchst. Meine Fähigkeit zur Empathie und mein fröhliches offenes Wesen zeichnen mich bei vielen Menschen aus. Kurz um, ich setze mir, sobald ich meine kleine sichere Höhle verlassen muss, für die Außenwelt eine Maske auf und führte lange Zeit ein scheinbar normales, glückliches und aktives Leben. Beneidenswert, perfekt nahezu.

Smiling Depression – Lächelnde Depression

Definition & Fragen

In der Literatur zur „Lächelnden Depression“ findet sich, dass die „Smiling Depression“ ein Bestandteil der klassischen schweren Depression ist, was in mir eine Menge Fragen aufwirft.

Menschen, die an einer solchen klassischen schweren Depression leiden, hegen demnach selbstmörderische Gedanken, sind aber in der Regel kaum in der Lage auf diese Gedanken und Gefühle zu reagieren. „Smiling Depression“-Betroffene verwenden ihre letzten Energien darauf, ihre Selbstmordabsichten nicht nur zu planen, sondern auch durchzusetzen. Somit kann eine „Lächelnde Depression“ gefährlicher sein als eine klassische Form der schweren Depression.

Quelle: The Secret Pain of „Smiling Depression“, ein Interview mit der Psychologin Rita Labeaune

Ich persönlich finde es fatal, dass diese Fassade den Schwerstdepressiven zugeschrieben wird, gerade weil sich viele Psycholog*innen und Psychiater*innen schwer mit den Grenzen der einzelnen Stadien tun. Auch findet meist kein interdisziplinärer Austausch statt, so dass vielleicht die Psycholog*in sieht, was Psychiater*innen entgeht und Hausärzt*innen schon mal gar nicht mitbekommen und erfahren.

Mir wurde eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode (F33.1) diagnostiziert. Also alles schick?

Hmmm… wie erklären sich demnach die vielen Fragen aus der Außenwelt und selbst dem engsten Umfeld, wie zum Beispiel:

  • „Quatsch, du veralberst mich doch?“
  • „Wieso hast du Depressionen? Wir sind doch alle für dich da!“
  • „Du hast immer ein offenes Ohr, eine Umarmung und ein Lächeln für mich/uns, so ein großes Herz und hilfst, wo du kannst. Und du willst depressiv sein?“
  • „Stell dich nicht so an. Du hast doch alles, was du brauchst. Nimm dir ein paar Tage frei und dann wird das schon wieder, oder?
  • „Echt? Du siehst gar nicht depressiv aus?!“


Alles ein riesiges großes Mistverständnis? Weil nicht sein kann, was nicht sein darf? Oder sitzt die Maske so perfekt, steht die Fassade so uneinstürzbar?

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